Krise hat Schwerpunkte verschoben Freyung-Grafenau. Vor knapp einem Jahr fanden die Kommunalwahlen statt. Im Kreistag verschob sich bei dieser Wahl so einiges. Im Gremium sind nun zehn Gruppierungen vertreten – so viele wie nie zuvor. Viel Zeit zum Reinkommen in die neue Legislaturperiode blieb keinem der 60 Kreisräte. Schließlich bestimmt seit der Wahl Corona das Geschehen. Die PNP hat bei den Sprechern der zehn Kreistagsfraktionen nachgefragt, wie sie das erste Jahr der Periode 2020 bis 2026 sahen. Heute steht Alexander Muthmann, Sprecher der FDP-Kreistagsfraktion, Rede und Antwort. Wie fällt Ihre Bilanz zur Landkreis-Politik 2020 aus? Wurden die gesteckten Ziele erreicht? Muthmann: 2020 war kein normales Jahr. Die Corona-Krise hat alles dominiert und die Schwerpunkte verschoben. Der Landrat war vor allem mit staatlichen Aufgaben beschäftigt; für ihn stand die Bewältigung der Pandemie im Vordergrund; die Landkreispolitik musste zwangsläufig zurücktreten. Deshalb sind die Ziele, die wir uns am Anfang gesteckt haben, in den Hintergrund getreten. Wie stark hat die Corona-Pandemie die Arbeit der Kreisräte beeinträchtigt? Die Dominanz von Corona zeigt sich schon daran, dass der Kreistag seit dem Kommunalwahlen nur zweimal zusammengetreten ist: Die konstituierende Sitzung fand schon im großen Kursaal in Freyung statt, die nächste und bisher letzte Sitzung mit den Schwerpunktthemen Infrastruktur und Gesundheitsversorgung im Landkreis Freyung-Grafenau war dann im Oktober. Mehr ist – Corona geschuldet — nicht passiert. Nach der Kreistags-Wahl hatten die „Neulinge“ im Corona-Jahr erschwerte Bedingungen, um ins Amt hineinzufinden. Konnten da die erfahrenen Kreistagskollegen helfen? Um den Neuen den Einstieg zu erleichtern, hatte ich in der konstituierenden Sitzung angeregt, eine Art Kassensturz zu machen: welche Aufgaben stehen an, wieviel Geld hat der Landkreis dafür zur Verfügung? Diesen Überblick hat Landrat Gruber den Neuen bei einem Termin auch gegeben. Wenn alles wieder normal läuft, erfolgt der Austausch vor allem auf Fraktionsebene bzw. der Ebene einer Ausschussgemeinschaft unkomplizierter und routinemäßiger. Der Blick nach vorne: Was sehen Sie als die großen Themen der Landkreispolitik in diesem Jahr? Ich fürchte, es dauert noch, bis wir zu einer normalen Landkreispolitik zurückkehren können. Wenn das der Fall ist, steht sicher eine Bestandsaufnahme ganz oben auf der Agenda. Homeschooling und Homeoffice während der Corona-Pandemie haben uns die Grenzen der digitalen Infrastruktur in unserer Region noch deutlicher als vorher aufgezeigt. Das kann der Landkreis aber nicht alleine schultern – hier ist der Staat gefordert. Mit seiner Hilfe muss der Landkreis die Entwicklung vorantreiben, damit endlich die notwendigen Voraussetzungen für eine veränderte Arbeitswelt geschaffen werden. Die zweite große Herausforderung sehe ich darin, schlagkräftige Tourismus-Strukturen über Landkreisgrenzen hinaus zu schaffen und den ÖPNV entsprechend auszubauen. Hier können wir von Corona durchaus profitieren. Während der Pandemie, als Flugreisen nicht möglich waren, haben viele Gäste den Bayerischen Wald als Urlaubsziel entdeckt. Da müssen wir weiterarbeiten, das Angebot mit dem Nationalpark als Flaggschiff entsprechend erweitern. Ein anderer Punkt, der mich und meine Mitstreiter beschäftigt: Nach Jahren der positiven wirtschaftlichen Entwicklung, die sich vor Corona abgezeichnet hat, muss nach der Pandemie eine Bestandsaufnahme erfolgen, welche Wirtschaftszweige und Betriebe in welchem Umfang Schaden genommen haben. In einem zweiten Schritt geht es darum, Strategien zu diskutieren und zu entwickeln, um dem Regionalmanagement im Landkreis die richtigen Impulse zu geben. Interview: Andreas Meyer 01.03.2021